Energieversorgung auf dem «Berg»: wirtschaftlicher Umgang mit rarem Gut 

In der Gemeinde Lauenen gibt es zahlreiche Alpen, die nicht am Stromnetz angeschlossen sind und deshalb alternative Energiequellen einsetzen. Mit der Energie müsse dort am wirtschaftlichsten umgegangen werden, wo sie am rarsten sei, schreibt dazu die Gemeinde. Um mehr über die Art der Energieversorgung und die damit verbundenen Herausforderungen auf den Lauener Alpen zu erfahren, befragten wir die Sennen Rudolf Trachsel und Toni Reichenbach zum Thema.

 

Zur Person: 
Seit 2014 geht der gelernte Landwirt Rudolf Trachsel (58) mit seiner Frau Ursula auf Stieretungel «z Bärg». Die Alp wird seit vielen Generationen von Mitgliedern derselben Familie bewirtschaftet. In seiner Freizeit
widmet sich der Senn am liebsten dem Imkern.

Stieretungel: Stromaggregat und Solarmodul 

Bis Anfang der 1970er-Jahre gab es auf Stieretungel keine Elektrizität. Man melkte von Hand und beim Käsen wurde im Kessi von Hand umgerührt. Kerzen oder Petrollampen, später Gaslampen, dienten als Lichtquellen.Heute betreiben wir die Vakuumpumpe fürs Melken mit einem Diesel-Strom-generator, der gleichzeitig eine Autobatterie auflädt, um das Rührwerk während des Käsens anzutreiben. Mit einem Sonnenpanel auf dem Dach versorgen wir einige Lampen mit Strom. Ein Umwandler ermöglicht es, Haushaltsgeräte mit geringem Stromverbrauch zu bedienen oder das Natel aufzuladen, für einen Boiler reicht es aber nicht aus. Wir müssen mit dem Strom sparsam umgehen, da Diesel teuer ist. Ausserdem darf man nicht zu viele Geräte gleichzeitig einsetzen, damit es nicht zu einem Kurzschluss und Ausfällen kommt – was auf einer abgelegenen Alp auch wegen der Brandgefahr immer zu Stress führt.Zusätzlich wird für das Käsen und die Reinigung der Melk- und Käsegerätschaften viel heisses Wasser gebraucht, welches wir über einem Feuer erhitzen. Dazu müssen rund acht Ster Holz pro Alpsaison bereitgestellt werden.

Ursula und Rudolf Trachsel

Chüetungel: Wasserkraft seit 34 Jahren

1989 wurde auf der Alp Chüetungel das Wasserkraftwerk von Peter Müller, Sigriswil, gebaut. Von den 75 000 Franken Baukosten übernahmen der Alpwirtschaftsfonds der Gemeinde Lauenen 26 000 Franken und die Schweizerische Berghilfe 10 000 Franken, der Rest wurde von der Alpgenossenschaft selbst finanziert. Es handelt sich um ein Mikrowasserkraftwerk Ecowatt AC/38, 220/380 V, 50 Hz, welches konstant 6 Kilowatt Strom liefert. Das Wasser wird von einer Quelle über eine 150-Millimeter-Druckleitung mit 8 bar ins 80 Höhenmeter tiefer gelegene Kraftwerk geführt. Der durch die Peltonturbine erzeugte Strom gelangt über ein Kabel direkt in die Zentrale, von wo er auf die drei Stafel verteilt wird. So lange genügend Wasser vorhanden ist, reicht der produzierte Strom für alle Geräte, die auf der Alp gebraucht werden. Bei wenig Wasser — wie im Sommer 2022 — kann in den Stafeln nicht gleichzeitig gemolken werden, weil die Leistung zu schwach ist. In solchen Fällen wird mit Stromgeneratoren überbrückt. An einer Sitzung der «Bsätzer» – der Teilhaber der Alpgenossenschaft — wurde über Solaranlagen auf den Stafeldächern diskutiert, um die Stromsicherheit auch während der trockenen Sommer zu gewährleisten.

 Toni Reichenbach

Zur Person:
Toni Reichenbach (35), gelernter Landwirt, Baggerfahrer und Lastwagenchauffeur, ist während der Sommerzeit Älpler auf Chüetungel. 2017 hat er den elterlichen Bauernhof in der Lauenen übernommen. Im Winter arbeitet er am Skilift Lauenen als Patrouilleur. Adrenalinsportarten wie Trialfahren, Beachvolley oder Klettern zählen zu seinen Hobbys.

Lauenens Beitrag zur Energiewende

Die Gemeinde Lauenen habe zwar bezüglich Energiepolitik noch keine langfristige, festgelegte Strategie, gibt Gemeindeverwalter Hansueli Perreten auf Anfrage Auskunft. «Es ist ihr aber ein Anliegen, einen Beitrag zur Energiewende zu leisten.» Neben der finanziellen Unterstützung der Kleinwasserkraftwerke Chüetungel und Gältehütte beteiligt sich die Gemeinde zu 15 Prozent am Kraftwerk Lauenen, welches von der BKW betrieben wird. Zudem unterhält die Gemeinde eine eigene Fernheizungsanlage. Mittlerweile sind zwölf Liegenschaften angeschlossen, darunter die Schulanlage, das Ferienlager und etliche Mehrfamilienhäuser. Aufgrund der Nachfrage wird eine Erweiterung geprüft. «Lauenen hat zusammen mit Saanen, Gsteig und Gstaad Saanenland Tourismus an der Sensibilisierungskampagne ‹Einfach mal abschalten› mitgewirkt. Auch die Umrüstung der gemeindeeigenen Liegenschaften und die öffentliche Beleuchtung auf LED ist bei uns ein Thema.»

Autor: Martin Gurtner-Duperrex; Fotos: zVg